Fensterloch in Wolken

Heute vor meinem Fenster, so wie gestern und morgen, singen Vögel rückwärts. Stare versammeln sich um den Kirschbaum. Ab und an stößt eine Fliege an die Scheibe, durch Mauerritzen schlüpfen heuer keine Wespen ins Zimmer. Neben mir liegt Flaubert auf dem Tisch, er berichtet mir aus seinem Ägypten von zusammengepferchten schwarzen Sklaveninnen auf nubischen Schiffen, die nilaufwärts verkauft werden, deren Brüste beim Zerstoßen von Steinen hin und her schütteln – ihm ist gerade langweilig auf seiner Reise durch den Orient. »Nach der Jagd auf Adler und Milane haben wir auf die Hunde geschossen«, erzählt er mir – es hallt leer am Rand der Wüste. So endet der Tag. Krieg an den Grenzen zum schwarzen Loch beginnt die Haut aufzulösen und elektrisierte Haare knistern an meinen Oberarmen.

Auf meinen Arbeitstischen versammeln sich außerordentliche Dinge.

Arbeitstisch

Wasseradern vier Stockwerk tiefer, sagt der Wünschelrutenmann mit einer Kokosschale in der Linken, machten mir kalte Füße in der Nacht. Rhabarberwickel kann er dagegen empfehlen. Strahlen von Strahlungen und weitläufige Gefühlungen wandern bis in meinen linken Bauchnabel.

Lisa fragt mich per Mail zum fünften Mal: »How do you make it yourself? What are your dirtiest second thoughts? … Take a look.« Ich lass es mir übersetzen, bevor ich es verstehe. Eine Flirt-Nachricht von Katja-Mami flog aus ihrem dunkelroten Portal zu mir: »Weißt du noch auf der Silberrücken-Party? … ruf an … Kuss Katja.«

Am Nasenring werde ich durch ungelebte Erinnerungen gezogen.

Woher kommt das Flüstern unter meinem Holzboden aus einer Gasmaske? »Want a slave down in your dungeon? … exquisit spanking!«

Nasenringfantasie

Es hängt an der Wand kein einziger Gedanke. Ich drifte um frittierte Saturnringe mit zunehmender Geduld.

»Samstagmorgen. Ich erstehe zwei Frauenzöpfe plus dazugehörigem Schmuck; die Frauen, denen man sie abschneidet, weinen, ihre Männer jedoch, die sie abschneiden, verdienen zehn Piaster pro Zopf … In der Morgensonne sah man von Fett schimmernde Köpfe, die wie frisch geteerte Barken leuchteten.« Dreißig Seiten und fünf Tage später ist Flaubert noch immer langweilig. Eilige Schüsse nach oben, dann ist wieder Gähnen auf der Reise.

Ich lege das Buch beiseite. Und wieder fallen aus unserem Himmel sanfte Sterbekissen.

Ich erinnere einen Blick in eine Molkerei mit Fledermäusen in Kanistern und an der Decke.

Ich schaue hinaus in die Aussicht.